Barfußschuhe – das Gefühl, neu laufen zu lernen
Ich liebe es, barfuß zu gehen. Sobald der Frühling Einzug hält, befreie ich meine Füße von allem Ballast und laufe barfuß – durchs Haus, durch den Garten… Außerhalb des Hauses müssen Flip Flops herhalten und selbst im Büro lasse ich es mir nicht nehmen, die luftig leichten Zehenpantoletten von Birkenstock zu tragen. Am liebsten in allen Farben und Ausführungen…
Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ich Barfußschuhe ausprobiere.
In den letzten Monaten sind sie mir immer wieder „begegnet“ und als eine Kundin mich schließlich fragte, ob sie auch in Barfußschuhen am Kurs teilnehmen könne, war das der Auslöser, mich intensiver mit dieser Variante Schuh zu beschäftigen.
Ich recherchierte, las über Ballen- u. Fersengang, über natürliches Gehen und „Einsperren“ der Füße. Ich durchforstete Youtube und stellte bei all´ dem schnell fest, dass sich beim Laufen/Gehen mit den Barfußschuhen die Geister der Fachleute scheiden und es – wie bei fast allen Dingen – auch hier Befürworter und Gegner gab. Also würde ich es wohl selbst ausprobieren müssen, um subjektiv Nutzen und/oder Schaden beurteilen zu können.
Über den Nutzen war ich mir längst im Klaren, Schaden deshalb, weil durch die Anatomie meiner Wirbelsäule ihre Dämpfungsfunktion eingeschränkt ist und ich – je nach Übung und Trainingsintensität – immer wieder Probleme bekomme. Daher achtete ich in den letzten Jahren auf eine besonders gute Dämpfung meiner Trainingsschuhe. Hinzu kommt eine Arthrose im Großzehengrundgelenk, was selbst die Auswahl der Alltagsschuhe enorm einschränkt. Das Projekt Barfußschuhkauf war also ein sehr Spannendes und Gewagtes, was auch voll in die Hose gehen konnte.
Ich entschied mich schließlich für ein Modell von Vibram.
Vorab ein wichtiger Hinweis: Die Schuhe unbedingt zwei Nummern größer kaufen! Nicht wegen der Zehenlänge, sondern wegen der Spannfreiheit. Selbst in der „Übergröße“ liegt der Schuh bei mir extrem eng an, während die Zehen nur die Hälfte der Zehentaschen ausfüllen. Beim Gehen entsteht dadurch jedoch kein Nachteil.
Zehen Marsch
Das „Einfädeln“ der Zehen in die einzelnen Abschnitte war für mich kein Problem. Obwohl ab und zu zwei Zehen in einen Abschnitt rutschen, sind sie durch die Zehenfreiheit schnell wieder sortiert. Meine Technik: Während des Anziehens über die Ferse „aktiv“ mit den Zehen in die einzelnen Abschnitte rutschen. An dieser Stelle beginnt ganz nebenbei die Fußgymnastik 🙂
Wie auf Eiern
Anfangs trug ich die Schuhe einige Male im Haus, um sie schlimmstenfalls zurück senden zu können. Das bewusste Gehen im Ballengang hatte ich also schon geübt und wagte mich nun ins freie Gelände. Nur ca. sechshundert Meter. Ein Gefühl wie auf Eiern. Jedesmal, wenn mir jemand entgegen kam, hoffte ich, er würde meine seltsame Art der Fortbewegung nicht bemerken. Mein Tempo war deutlich reduziert, denn die Schritte im Ballengang fallen kleiner aus. Sobald ich zu schnell oder die Schritte größer wurden, verfiel ich wieder in den Fersengang, und der ist – zumindest für meine Anatomie – Gift in diesen Schuhen. Das merkte ich schnell.
Mein erster Ausflug war also ein mentaler Hochleistungsakt. Mich gleichzeitig auf den Ballengang konzentrieren, hoffen, dass nicht alle meinen Eierlauf verfolgen und das Ziel nicht aus den Augen verlieren – ganz abgesehen von der Konversation mit meinem Begleiter…
Glaubt es oder nicht. Dieser gut halbe Kilometer, den ich bei diesem ersten Test zurück legte, verschaffte mir spürbare Nachwehen. Meine Schienbeine, ein angestrengtes Gefühl im Rücken und meine Schwachstelle Brustwirbelsäule – alles war angespannt und ungewohnt belastet. Ich machte meine gewohnten Dehnungsübungen und gestehe: Zu der Zeit war ich noch skeptisch, ob das Barfußlaufen über das tägliche „Im-Haus-Herumlaufen“ hinaus etwas für mich ist.
Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut
Mein Gefühl sagte mir „Ja!“, „Go!“,. „Bleib´ dran!“. Ich laufe so gerne barfuß, das Einsperren der Füße und damit verbundene Abschwächen der Fußmuskulatur missfällt mir schon von Berufs wegen. Da konnte ich nicht einfach aufgeben. Eine über Jahrzehnte erlernte Gangart können wir nicht von heute auf morgen verändern und meine physiologischen Auswirkungen lagen durchaus im normalen Bereich. Ich brauchte also einfach nur Geduld?
Ja! Seitdem steigere ich mich langsam, laufe regelmäßig kurze Strecken in heimeliger Umgebung, trage die Schuhe im Garten und gewöhne mich langsam an die veränderte Gangart. Ich versuche, Asphalt zu vermeiden und plane bei längeren Strecken etwas mehr Zeit ein. Ursprünglich hatte ich vor, auch meine Kurse in den Schuhen zu absolvieren, damit lasse ich mir allerdings noch etwas Zeit. Was meinen Rücken betrifft, kann ich in der Kürze der Zeit leider noch keine verlässliche Aussage machen, allerdings auch nichts Nachteiliges berichten.
Alles in allem finde ich das Gehen in Barfußschuhen absolut sinvoll. Unsere durch ständiges Tragen viel zu enger, zu hoher oder zu fester Schuhe abgeschwächte Fußmuskulatur wird wieder mehr beansprucht und somit gekräftigt. Das Gehen im Ballengang verhindert in seiner korrekten Ausführung starke Stöße, die sich im Fersengang (s. Foto) über die Gelenke (Knie, Hüfte), die Wirbelsäule, bis in den Kopf fortsetzen und zu starken Belastungen führen.
Das Barfußgehen stellt zusätzlich eine bessere Verbindung zur Natur, zur Erde, her. Ich spüre die Energie der Erde direkt über den Boden in meinen Füße und somit im ganzen Körper. Fühle mich „geerdet“. Ich bleibe also dran, suche mir weiche Wege und Untergründe und führe den Selbsttest weiter. Meine Füße freuen sich über die Freiheit, die ich ihnen lasse, was ich deutlich spüre, wenn ich zwischendurch „normales“ Schuhwerk trage.
Ich habe für Dich dieses nette Video herausgesucht, in dem zwei Personaltrainer locker flockig über Ballengang und seine Vorteile berichten.
Wenn Du auch Erfahrungen mit Barfußschuhen und Ballengang hast, hinterlasse sie gern im Kommentarfeld!